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5.1.7 Rheologie

Als Rheologie wird der Teil der Physik bezeichnet, der das Verhältnis zwischen der auf einem Material ruhenden Spannung (Stress) und der daraus entstehenden (relativen) Formveränderung (Strain) als Funktion der Zeit, in der die Spannung wirkt, untersucht.

Drei Faktoren spielen dabei eine Rolle:

  • die auf dem Material ruhende Spannung (= Kraft pro Oberflächeneinheit),
  • die Formveränderung des Materials durch die Spannung (Deformierung),
  • die Zeit – sowohl die gesamte Zeitspanne, in der die Kraft eingesetzt wird, als auch die Zeit, in der Spannung verändert wird.

Rheologie ist eine beschreibende Wissenschaft. Sie beschreibt und charakterisiert Materialverhalten in Folge von Spannung. Einige Anwendungsbeispiele: Margarine muss auch direkt aus dem Kühlschrank schmierbar, Mayonäse sämig, Salatsoße dahingegen flüssig sein. Schokolade muss im Mund schmelzen, bei Zimmertemperatur jedoch fest sein. Außerdem müssen bei der Herstellung von Lebensmitteln alle Materialien (Rohstoffe und Halbfabrikate) bestimmten rheologischen Eigenschaften entsprechen, damit sie gut durch die Rohre fließen oder problemlos in Formen gegossen werden können.

Die Rheologie von Schokolade dreht sich um zwei Eigenschaften: Viskosität und Fließgrenze (Fließwert, Yield Value) der flüssigen Schokolade.

Rheologie beschäftigt sich auch mit Textur und Sensorik. Hinsichtlich der Textur-Eigenschaften geht es u. a. um folgende Fragen: Wie sieht eine Tafel aus? Wie riecht die Schokolade und wie schmeckt sie im Mund? (Entfaltet die Schokolade das volle Aroma im Mund?) Diese Eigenschaften werden mit den Sinnen wahrgenommen und aus diesem Grund sensorische Eigenschaften genannt.

Texturmerkmale von Schokolade sind:

  • Festigkeit im Mund: die erforderliche Kraft, um die Schokolade mit Zunge und Zähnen abzubrechen,
  • Schmelzfähigkeit: das Maß, in dem die Schokolade im Mund schmilzt,
  • Glattheit: das Maß an Rauhigkeit (Sandigkeit) der geschmolzenen Schokolade im Mund,
  • Klebrigkeit: das Maß, in dem die geschmolzene und mit Speichel vermischte Schokolade an Zunge und Gaumen kleben bleibt.

Viskosität und Fließgrenze

In flüssiger Schokolade können die Fließeigenschaften gemessen werden. Sie werden in zwei Werten ausgedrückt: Viskosität (h) und Fließgrenze (t).

Unter Viskosität kann man sich den Widerstand beim Rühren in einer Flüssigkeit vorstellen. Die Fließgrenze ist das Maß, in dem ein Tropfen von selbst über den Tisch fließt. Schokolade mit einer geringen Viskosität kann problemlos umgepumpt werden. Schokolade mit einer niedrigen Fließgrenze zerläuft schnell in einer Form.

Die Einheit der Viskosität ist Pascalsekunde (Pa.s). Häufig wird auch in Milli-Pascalsekunden gerechnet (mPa.s). 1 Pa.s = 1000 mPa.s. Die Einheit für die Fließgrenze ist Pascal (Pa).

Für flüssige Schokolade (für Riegel und Tafeln) gelten im Allgemeinen folgende Werte:

  • Viskosität zwischen 1 und 20 Pa.s,
  • Fließgrenze zwischen 10 und 40 Pa.

Überzugschokolade hat im Allgemeinen sehr viel niedrigere Werte:

  • Viskosität zwischen 0,5 und 2,5 Pa.s,
  • Fließgrenze zwischen 0 und 20 Pa.

Messung der Fließeigenschaften

Die Fließeigenschaften von Schokolade wird in den meisten Fällen mit einem Roto-Viskositätsmesser gemessen: Bei einer bestimmten Temperatur (Viskosität und Fließgrenze sind temperaturabhängig) wird der Widerstand gemessen, dem ein sich drehender Zylinder in der Schokolade ausgesetzt ist. Die Kraft, die erforderlich ist, um den Zylinder zu drehen, ist die Fließgrenze. Anhand einer Mehrpunktmessung der Viskosität (Messung bei mehreren Geschwindigkeiten) können zuverlässige und austauschbare Daten ermittelt werden, mit denen sich auch die Fließgrenze berechnen lässt.

Die Messung kan auch umgekehrt erfolgen: In diesem Falle wird Kraft auf den Zylinder gesetzt und die sich daraus ergebende Drehgeschwindigkeit gemessen. Außer einem Messzylinder können auch kegelförmige oder andere Messelemente verwendet werden. Es gibt außerdem einfache empirische Methoden, die jedoch weniger austauschbar sind. (OICCC – die Branchenorganisation der Kakao- und Schokoladeunternehmen – hat eine offizielle Methode für die Messung von Viskosität und Fließgrenze veröffentlicht. Diese Methode ist sehr klar und liefert umfassende Informationen.)

Abbildung 5.16: Messzylinder

Mit anderen Worten: Viskosität und Fließgrenze sind u. a. von der Temperatur abhängig sowie von Fettgehalt, Lezithinmenge, Feuchtigkeitsgehalt, Verteilung der Teilchengröße und Conchierungszeiten.

  • Fettgehalt: Je mehr Fett, desto niedriger Viskosität und Fließgrenze.
  • Lezithin: Die Zugabe von 0,1 bis 0,3 Prozent dieses Emulgators und eventuell PGPR hat den gleichen viskositätsverringernden Effekt wie die Zugabe von 1 bis 3 Prozent Kakaobutter. Bei höheren Zugabemenge erhöht sich die Fließgrenze.

Emulgatortyp und -menge beeinflussen die Rheologie. PGPR hat einen großen Effekt auf die Fließgrenze. Trockenes Conchieren beeinflusst sowohl die Viskosität als auch die Fließgrenze.

  • Feuchtigkeitsgehalt: Die Zugabe (sehr) kleiner Wassermengen führt zu einer enormen Erhöhung von Viskosität und Fließgrenze.
  • Verteilung der Teilchengröße: Die Größenverteilung der festen Teilchen hat einen großen Einfluss auf die rheologischen Eigenschaften der Schokolade. Je größer die Teilchen sind, desto mehr sinkt die Fließgrenze. Der Rückgang der Viskosität aufgrund einer zunehmenden Größe der Teilchen fällt geringer aus.
  • Temperatur (über dem Schmelzpunkt von Fett): Die Erhöhung der Temperatur führt zu einer Verringerung der Viskosität und einer Erhöhung der Fließgrenze.
  • Conchierungszeiten: Das Conchieren beeinflusst vor allem die Fließgrenze. Besonders in den ersten Stunden des Conchierens sinkt die Fließgrenze erheblich.

Kostpreis

Das Fett in Schokolade (Kakaobutter und eventuell Milchfett) gehört zu den teureren Rohstoffen. Damit die gewünschten Geschmacks- und Verarbeitungseigenschaften erzielt werden, muss eine bestimmte Fettmenge verwendet werden. Bei der Herstellung wird vor allem darauf geachtet, eine Schokolade mit den gewünschten Eigenschaften zu erzielen und gleichzeitig so wenig Fett wie möglich zu verwenden.



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